Drüberreden: Es möge friedlich sein

von Mandy Frank 07.12.2020 ⋅ 11.08.2022 11:59 ⋅ Aktuelles, Drüberreden

Aus der Reihe „Drüberreden” – Beitrag von unserer Netzwerkpartnerin Mandy Frank.

Ich kenne ein kleines Mädchen mit einem runden Gesichtchen. Blond. Frech. Ich sehe es spielend auf dem Weg hinter dem Haus. Es lädt Sand und Steine in einen Plastik-LKW. Alleine. Friedlich. Mit sich.

Gleichwohl weiß ich auch, dass viele Momente im Leben des kleinen Mädchens nicht so friedlich waren. Die Momente in Familie. Diese Momente, die die meiste Geborgenheit innehaben sollten. Doch es waren überwiegend Momente, in denen die Erwachsenen mit sich selbst nicht zurecht kamen. Die Kinder dafür als Blitzableiter herhalten mussten….

Weihnachten war in jedem Jahr so ein Moment. Die Tradition im Weihnachtsland musste eingehalten werden. Die besagt, dass mit dem Glockenschlag die Weihnachtsgans auf dem Tisch stehen muss. Bis dahin voll der Druck. Dann geschafft. Puh! Und beim Essen entlädt sich die komplette Anspannung wie ein ungestümer Weihnachtssturm über alle Anwesenden. Wie oft hatte das kleine Mädchen den Heiligen Abend hinter dem weißen Tischtuch unter dem Tisch verbracht. Und der einzige Wunsch, der bleibt, es möge friedlich sein.

Eine Situation ist in meiner Erinnerung. Die ganze Familie ist auf Sonntagsspaziergang nach Fürstenbrunn. Entlang der schmalen Straße nach Waschleithe. Das kleine Mädchen stolperte und fiel hin. Die wollene Strumpfhose hatte Löcher an den Knien. Um die Strumpfhose war es nicht schade. Das Mädchen hatte diese nicht freiwillig an. Und mochte sie auch nicht. Die aufgeschrammten Knie bluteten. Autsch, das tat weh! Das kleine Mädchen weinte. Stand aber tapfer auf. Als es aufgestanden war, war auch der Vater inzwischen herbei gelaufen. Leider nicht, um zu helfen oder zu trösten. Er gab dem kleinen Mädchen eine Ohrfeige mit der Begründung, dass es nun einen Grund hatte zum Heulen.

Das klingt für heutige Zeiten vielleicht heftig. Gleichwohl in dieser Situation war der Vater wahrscheinlich nüchtern und die Gewalt überschaubar. Wenn Alkohol im Spiel war, der zum täglichen Leben gehörte, beförderte die erhobene Hand die weiblichen Familienmitglieder schon mal fliegend quer durch die Wohnung. Egal ob Mutter, Schwester oder das kleine Mädchen. Die Gewalt brauchte keine Gründe. Mit Hilfe von Außen war nicht zu rechnen. Der ABV von nebenan (Abschnittsbevollmächtigter – ehemalige Bezeichnung der Polizei) erklärte, das sei eine Familienangelegenheit. Demnach innerhalb der Familie zu klären. Die Frauen in der Familie sahen für sich keine Möglichkeit, keinen Ausweg. Also blieb nur aushalten. Und der einzige Wunsch, der bleibt, es möge friedlich sein.

Ich habe herausgefunden, dass dieses kleine Mädchen noch da ist. Tief in mir. Tief verletzt. Zutiefst traurig. Immer noch weiter gegängelt. Beschimpft. Von mir selbst. Von der Großen, die es nicht besser gelernt hatte. Ich habe mir selbst eine runter gehauen, wenn ich meinte, meine Sache nicht gut genug zu machen. Um einen Grund zum Heulen zu haben. Ich begann mir die Geschichte des kleinen Mädchens genauer anzuschauen. Vergessenes auszugraben. Mitgefühl zu entwickeln. Das Gute zu erkennen in den schlimmen Erlebnissen. Das kleine Mädchen zu trösten. Es zu umarmen. Liebzugewinnen. Kannst du dir vorstellen, dass ich alle möglichen fremden Kinder auf Fotos total niedlich fand, nur mich selbst als Kind nicht? Geht es dir vielleicht auch so?

Heute habe ich das Foto von mir als blondes Mädchen mit den struppigen Haaren und dem LKW im Dreck in meinem Zuhause aufgehängt. Es erinnert mich daran, mich täglich gut um uns beide zu kümmern. Ganz pragmatisch gehe ich hin und streichle es auf dem Bild. Ich lege meine Arme um mich und umarme uns beide täglich. Gerade jetzt in der Adventszeit mach ich es mir friedvoll schön. Ich dekoriere meine Wohnung. Zünde abends Kerzen und Räucherkerzen an. Und den Schwibbogen. Koche frische köstliche Gerichte für mich. Höre sanfte Musik oder schaue einen Weihnachtsfilm. Hülle mich in gemütliche Geborgenheit. Mit kleinen Gesten gelingt es mir, uns liebevoll zu vereinen. Uns wohliges zu tun. Uns Geborgenheit zu geben. Zu verwöhnen. Gesund zu erhalten. Glücklichsein zu fokussieren. Und den einzigen Wunsch zu erfüllen, es möge friedlich sein.

Gleichzeitig zu meiner eigenen harten Wahrheit erfuhr ich, dass meine Geschichte die Geschichte in weiten Teilen unserer Gesellschaft ist. Ich gehe in Resonanz mit den Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Ich begegne ihnen nicht nur in meiner Ayurveda-Praxis, sondern auch im täglichen Leben. Ich höre Geschichten, die ich noch leidvoller finde als meine eigene. Ich spüre meine tiefe Traurigkeit in diesen Augenblicken, wenn ich mitbekomme, was wir Menschen uns immer noch gegenseitig antun. Gleichzeitig bringt es mir Hoffnung, wenn sich immer mehr Menschen öffnen. Drüberreden. Die Themen nach außen tragen. Anschauen. Ansprechen. Den Mut aufbringen, in den Prozess der Heilung zu gehen. Wir dürfen lernen, uns um uns selbst zu kümmern. Mit unseren Gefühlen umzugehen. Mit uns selbst liebevoll zu sein. Den anderen auch Sein zu lassen, der hat seinen eigenen Prozess. Mitgefühl für ihn empfinden ist ausreichend. Und so erfüllt sich der einzige Wunsch, es möge friedlich sein.

Stell dir vor, du beginnst heute, dich voller Liebe und Mitgefühl um dich zu kümmern. Dein Wohlbefinden zu pflegen. Deine Bedürfnisse erkennen. Zeit für dich zu nehmen. Deine Taschen zu füllen mit allem schönen. Täglich aufs neue wahrzunehmen, was du brauchst. Was dir gut tut. Dir das selbst zu geben. Was glaubst du, könntest du dann aus deinen prall gefüllten Taschen der Welt alles gutes abgeben?

Ich träume von einem Leben, da jeder Mensch im friedlichen Einklang mit sich selber ist. Und so erfüllt sich der einzige Wunsch, es möge friedlich sein. So webt jeder einzelne seine Masche zum Mantel des Friedens für unser gemeinsames Sein auf Mutter Erde. Und für Mutter Erde. Danke.

Von Herzen, Mandy


Ayurveda und »Die Fünf Tibeter«® Mandy Frank
Ayurveda-Anwendungen, Amnanda Kuren
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