Im Myzel des Lebendigen: Der Fliegenpilz – Amanita muscaria

01.12.2025 ⋅ Heilung, Kunst, Schamanismus

Der Fliegenpilz begleitet uns wie ein roter Faden durch Märchen, Wälder und womöglich Kindheitserinnerungen. Seine Erscheinung ist uns vertraut und zugleich fremd. Kaum ein anderes Wesen trägt so viele Bedeutungen in sich – Glücksbringer, Giftpilz, Lehrer, Schwellenhüter, Forschungsobjekt. Er spaltet und verbindet gleichermaßen und durchzieht unsere kulturellen, biologischen und seelischen Landschaften wie ein unsichtbares Myzel.

Amanita muscaria, so der botanische Name, lebt in Symbiose mit den Wurzeln von Birke, Fichte oder Kiefer. Im Dunkel der Erde umhüllt sein feines Geflecht die Wurzelspitzen, tauscht Nährstoffe, Impulse und Informationen. Ein ständiger Dialog, eine wechselseitige Versorgung und ein Miteinander, das nur im Zusammenspiel funktioniert. Der Pilz ist kein Einzelwesen, sondern Teil eines größeren Organismus und Intelligenz. Ein lebendiger Beweis dafür, dass Leben Beziehung ist.

Vielleicht berührt uns genau das, weil es uns an etwas erinnert: an unser eigenes inneres Geflecht aus Emotionen und Gedanken, an das feine Gewebe, das uns mit anderen verbindet. Auch wir sind Wesen der Resonanz. So gesehen spiegelt Amanita etwas zutiefst Menschliches: den Wunsch nach Verbindung – zu uns selbst, anderen Menschen und zur Natur. 

In den schamanischen Kulturen Eurasiens, besonders in Sibirien, wurde der Fliegenpilz in rituellen Kontexten verwendet, um Bewusstseinsräume zu öffnen. Schamanen traten mit seiner Hilfe in Kontakt zu den unsichtbaren Ebenen der Anderswelt – zu den Kräften der Natur, den Ahnen, Visionen und inneren Bildern. In diesem Zusammenhang wurde er zu einem Begleiter der Schwelle zwischen den Welten, zu einem Symbol für Übergang und Verbindung.

Die Faszination um die Wirkung ist heute auch in der Wissenschaft angekommen. Forschende untersuchen seine Inhaltsstoffe, insbesondere Muscimol, das im menschlichen Gehirn an GABA-A-Rezeptoren wirkt – jenem System, das Entspannung, Regulation und Sicherheit im Nervensystem ermöglicht. Muscimol kann angstlösend, schmerzhemmend und schlaffördernd wirken. Studien sehen darin Ansätze für die Behandlung von Parkinson, Alzheimer, ADHS bis hin zu Traumafolgen und mehr.

Und während Labore seine Moleküle analysieren, öffnen sich anderswo Räume für bewusste Begegnung mit der Wesenheit Amanita. Menschen erforschen global, wie sich die Arbeit mit dem Pilz – in Meditation, Räucherung oder in Mikrodosierung – auf ihr Empfinden, ihr Nervensystem, ihre Präsenz auswirkt. Nicht als Rausch, sondern als Rückkehr. Eine Bewegung hin zum Körper, zur Wahrnehmung, zum eigenen Sein.

Wer sich darauf einlässt, begegnet weniger einer Substanz als einem Spiegel. Amanita konfrontiert, erdet und bringt uns zurück zu uns selbst. Das Pilzwesen zeigt, wo wir festhalten, wo wir uns verlieren, wo wir außerhalb unseres eigenen Rhythmus und unserer Grenzen handeln. In dieser Begegnung liegt eine feine Intelligenz – ein Erinnern an das, was uns trägt.

Vielleicht ist das die eigentliche Einladung dieses intelligenten Organismus: wieder heimzukehren zu uns selbst. Aus dem automatisierten und ständigen Denken ins Fühlen zu kommen. Aus dem Tun ins Sein. Amanita öffnet Räume, in denen wir uns selbst wieder spüren dürfen: die eigenen Grenzen, die eigene Kraft, das eigene Erleben. Amanita führt uns zurück in den Körper, in die Gegenwärtigkeit, in ein tieferes inneres Lauschen. Der Fliegenpilz ist weder Dämon noch Heilsbringer. Er ist Teil eines uralten Gesprächs, das die Erde mit uns führt. Ein Gespräch, in das wir immer wieder hineinlauschen dürfen, wenn wir bereit sind, leise zu werden. 

Dieser Text versteht sich als kulturelle, naturphilosophische und bewusstseinsbezogene Betrachtung, weder als Ratgeber oder Anleitung zur Anwendung.

Sylvia Hansen beschäftigt sich als Integrationsexpertin vertiefend mit dem Fliegenpilz. Im Amanita Essenz-Erfahrungsraum bietet sie einen sicheren und gehaltenen Rahmen, der ein Hineinspüren in die Verbindung mit der Essenz von Amanita und sich selbst ermöglicht.

Mehr Infos dazu bei Sylvia Hansen – in Online-Infoabenden und -Wissenkreisen